Artikel-Inhalt von Lockdown-Geschichten: Alain und Stephanie (1/3)
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Der Lockdown in Neuseeland, das Leben als «Lodge-Chefs» mit 40 Hühnern, Gemüsefeldern und Wein
Stephanie und ich arbeiten seit Januar in der Marlborough Lodge in Neuseeland, ich in der Küche und sie im Service. Als die Internationalen Flüge am 17. März alle gestrichen wurden, war die Lage im Land noch relativ entspannt mit 51 aktiven Covid-19 Fällen. Ziemlich schnell und überraschend kam dann der Lockdown am 25. März. Mit kompletter Schliessung aller nicht lebensnotwendigen Gewerbebetrieben. Strikte Kontrollen in Supermärkten und Apotheken waren der neue Alltag, zusätzlich stellte die Polizei 24/7 Strassensperren auf allen Highways auf. Jeder, der nicht beruflich unterwegs war, hatte auf den Strassen nichts verloren.
Unser Zimmer in einer Wohngemeinschaft mussten wir Ende März verlassen, da der Besitzer das Haus verkauft hatte. Somit hatten wir keine Bleibe für den Lockdown! Wir suchten nach einer Unterkunft, doch hatten keinen Erfolg. Obwohl wir schon seit November 2019 auf der Insel sind, hatten viele Bedenken ein Zimmer an Europäer zu vermieten. Zu dieser Zeit war Europa im Mittelpunkt der Medien im Zusammenhang mit Covid 19.
Aber es gab noch einen letzten Strohhalm, an den wir uns klammerten: die Marlborough Lodge. Da die Lodge sehr wertvoll eingerichtet ist, viele Gemälde umfasst und keine Alarmanlage hat, wäre es doch gut, jemanden auf dem Grundstück zu haben. Unser Vorschlag an die Lodge Managerin war deshalb: Wir ziehen in die Lodge, damit jemand während dem Lockdown auf dem Areal ist und auf das Hotel schaut. Eine absolute Win-Win Situation für beide. Dachten wir. Die Lodge Managerin besprach den Vorschlag mit dem Headoffice in Australien. Doch eine Besitzerin fand unseren Vorschlag nicht so Win-Win. Zwei Tage später kam das Headoffice in Sydney doch noch zur Besinnung, nachdem die anderen Eigentümer ihre Bedenken zum Thema Sicherheit geäussert hatten. So zogen wir dann am 24. März in eine Suite in der Lodge ein. Ich hatte auch noch kurz Kontakt mit der Schweizer Botschaft, um uns Informationen über die Rückholaktion zu beschaffen. Doch es machte keinen Sinn, Neuseeland zu verlassen: Wir waren hier um einiges sicherer und hatten immerhin noch unsere Jobs.
Stephanie hatte vor dem Lockdown noch einen Nebenjob in einem Degustationsraum bei Rock Ferry. Doch da die internationalen Gäste ab Mitte März weg blieben, konnte sie in das Labor des Weinkellers wechseln. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, die Analyse der «zukünftigen» Weine auf Restzucker- und Alkoholgehalt zu analysieren und Temperaturkontrollen vorzunehmen. Wenn ihre Kollegen dann noch Hilfe brauchten, ging sie ihnen bei der Annahme, Sortierung, Pressung oder bei anderen Arbeiten im Weinkeller zur Hand. Sie durfte auch während dem Lockdown weiter arbeiten, da die Weinindustrie zu den essentiellen Unternehmen gehörte. Sie arbeitete gut 2 Monate ohne einen Tag frei und meistens über 12 Stunden im Weinkeller. Aber die Traubenlese ging auch irgendwann zu Ende, ihre Tage wurden Mitte Mai kürzer und Stephanie hatte ihren letzten Arbeitstag bei RockFerry Mitte Juni.
Meine Aufgaben während dem Lockdown in der Lodge waren: Wöchentliches Lüften der Zimmer und allgemeine Putzarbeiten im und um das Haus, zudem hatten wir noch ca. 50 Hühner die zweimal am Tag gefüttert werden mussten. Die meiste Zeit verbrachte ich im Garten, der mit 16ha gross genug war. Die ersten 3 Wochen nutzte ich damit, das Unkraut mit einem Rechen und einer Schubkarre aus dem Bach zu ziehen. Danach half ich bei der Weinernte, in unserem 4ha kleinen Weinberg. Zuerst ernteten wir den Riesling und 3 Wochen später den Malbec und Merlot. Zudem flog ich ein paar Runden mit meiner Drohne und konnte tolle Aufnahmen von der Weinernte, der Lodge und dem Garten machen, welche sie in der Zukunft für die Vermarktung der Lodge einsetzen können. Das Headoffice wollte auch nicht mehr so viele Hühner auf dem Grundstück haben, so durfte ich 10 Hühner schlachten und rupfen. Gut 25 Hühner haben wir verschenkt und für die übrigen 12 bauten wir ein neues Gehege. Schöner Nebeneffekt für uns: wir mussten die nächsten 3 Wochen nicht mehr zum Einkaufen. Zusätzlich konnte ich viele neue Varianten von Geflügel ausprobieren =)
Täglich kochte ich uns ein üppiges Abendessen. Platz hatte ich ja genug in der grossen Hotelküche. Die meisten Lebensmittel konnte ich aus unserem Garten ernten, neben Cherry- und Fleischtomaten in allen Farben und Grössen hatten wir noch Rote Beete, Blumenkohl, Sellerie, Lauch, Karotten, Federkohl, Feigen, Grapefruits, Orangen, Mandarinen oder Fichoas. Gegessen haben wir dann im gemütlichen Speisesaal direkt am Cheminee. Stephanie erzählte mir von ihrem Tag, was sie neues über Wein und die Herstellung gelernt hat. Natürlich auch die zahlreichen lustigen und spannenden Geschichten aus dem Weinkeller. (mehr informationen dazu auf unserer Blog: noplangoodplan).
In meiner restlichen Freizeit lernte ich auf dem Piano die Grundnoten und rannte wöchentlich mindestens 30 Kilometer. Nach den ersten paar Wochen im Lockdown fiel mir dann irgendwann doch noch die Decke auf den Kopf…. Also suchte ich mir eine neue Herausforderung und fand die Zoom-Online-Weiterbildungen von Ritzy. Diese fanden meistens Montags und Dienstags in der Schweiz statt. Mit der 10 stündigen Zeitverschiebung ging das gut auf und ich nutzte meine Abende für die Weiterbildung im Onlinemarketing. Seither hat das Ambiance einen Office-Mitarbeiter auf der anderen Seite der Welt =)
Es hätte uns wirklich schlimmer treffen können, als Rucksackreisende um die Welt, 5 Monate in einer Luxus Lodge «fest zu stecken» und einen spannenden Lockdown zu haben.